von Rainer Mannheim-Rouzeaud
Als Teilnehmer des Seminars am 27. Nov. 2004 der
Heidelberger Akademie für Management im Gesundheitswesen (HAMG)
möchte ich die KV Nordbaden auf die Unausgegorenheit und
Unhaltbarkeit dessen hinweisen, was derzeit unter den Stichworten
"Qualitätssicherung" und "Qualitätsmanagement
(QM)" den Psychologischen Psychotherapeuten (und Ärzten)
zugemutet wird:
Im Widerspruch zu den öffentlichen Behauptungen der
Befürworter von QM hat das Seminar keineswegs die bisherigen
Bedenken, daß mit QM ein übergroßer Bürokratie- und
Dokumentationsaufwand gefordert werde, dem kein Nutzen
gegenüberstehe, ausgeräumt, sondern es hat diese Bedenken als
tatsächlich bestätigt..
Keiner der Referenten dieses Seminars war in der
Lage, auch nur ein vernünftiges Anwendungsbeispiel für den
angeblichen Nutzen von QM für die Einzelpraxis (wie sie bei
Psychologischen Psychotherapeuten die Regel ist) zu erbringen.
Werden konkrete Beispiele für den Nutzen gefordert, kommt es
ohne Ausnahme zu einem Umschlag von abstrakten
Leerformeln der QM-Systeme in unsägliche Trivialitäten. So
fanden die Referenten kein besseres Beispiel für das, was QM
leiste, als das "Problem des Nichtkommens von
Patienten" zu erwähnen.. Sowohl Beispiel als auch die
Antworten darauf sind von einer fast kabarettreifen Dürftigkeit
("andere Arbeit machen", "Thema beim Patienten
ansprechen").
Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß diese Trivialantworten kein Zufall sind, oder als Einzelfälle abgetan werden können. (Siehe hierzu auch die weiter unten zitierten Aussagen von Frau Dr. Diel) Die Trivialität ist vielmehr die konsequente Folge unzutreffender QM-Konzepte. Gerade die positive Besetzung der Begriffe "Qualitätssicherung" und "Qualitätsmanagement" machen sie so hervorragend geeignet, um als Masken zu dienen, hinter denen sich Banalität und Machtansprüche ausbreiten.. Ein Blick auf das Kursangebot der von der KV Nordbaden so wärmstens empfohlenen Management-Akademie baden-württembergischer Ärzte e. V. macht das bereits ausreichend deutlich. Hans Christian Andersen hätte seine Freude daran gehabt, wie sein Märchen in Realität umgesetzt wird: "Qualitätssicherung" und "Qualitätsmanagement" sind die prächtigen Garne, aus denen der Stoff für des Kaisers neue Kleider gewebt werden.
Anzuerkennen ist, daß mit dem vorgelegten QEP-Modell die KV sich bemüht hat, wenigstens die bombastischen Leerformeln der anderen Modelle mit Inhalt zu füllen. Gelungen ist dies zumindest für die Einzelpraxis nicht: Keiner der im QEP-Modell genannten Punkte trifft für Einzelpraxen zu, oder aber es handelt sich um reine Doppelbürokratie (bereits behördlicherseits bestehende Vorschriften nochmals zu kontrollieren) oder den persönlichen Arbeitsstil, der keiner Reglementierung bedarf . Qualitätssicherung verkehrt sich so in ihr Gegenteil.
Als Psychologe und Psychotherapeut kann ich sehr
genau sagen und belegen, wo und wie die Qualitätssicherung
psychotherapeutischer Arbeit zu erfolgen hat: Sie gehört in die
Hände der psychotherapeutischen Fachgesellschaften, der
Ausbildungsinstitute und der Wissenschaft. Die
Psychotherapeutenkammern können dabei eine koordinierende
Funktion übernehmen. Sie gehört nicht in die Hände
irgendwelcher "Management-Akademien", die gegenwärtig
wie Pilze aus dem Boden schießen.
Wer und wie die Qualität ärztlicher Arbeit
beurteilen kann, mögen ärztliche Kollegen entscheiden. Daß die
vorgestellten QM-Modelle aber auch für Arztpraxen kaum taugen,
wurde in dem Seminar ebenfalls deutlich.
Ausdrücklich sind auch die Mitarbeiter der KVen und der KBV, die an diesen Konzepten arbeiten, zu kritisieren: Statt die sichtliche Aufgeblähtheit von QM kritisch zu hinterfragen und die Kritik der Betroffenen ernst zu nehmen, gegebenenfalls Vorschläge zur Korrektur eines offensichtlich unreifen Gesetzestextes zu erarbeiten, machen sie sich wie Beamte zu Durchsetzungsgehilfen einer schlechten Sache.
Hier ist namentlich Frau Dr. Diel zu nennen, die
doch tatsächlich in einem Interview die Wichtigkeit des
Qualitätsmanagements auch in der Einzelpraxis
folgendermaßen begründete: ...aber auch mit einer
Putzfrau ist es wichtig, klare Absprachen zu treffen, wann und wo
was geputzt werden muß und wie die Toilette gereinigt werden
soll".( in: Noch mehr Papier oder wirklich mehr
Qualität? Report-Interview von Frau H. Schäfer (VPP) mit
Frau F. Diel (KBV); report psychologie 6/2004, S. 391). Eine
solche Aussage ist schon entlarvend: Qualitätsmanagement also
deshalb, um der Putzfrau zu erklären, wie die Toilette gereinigt
werden soll. Das ganze Interview strotzt nur so von
wissenschaftlicher Unbedarftheit. Ich will mir hier eine
Einzelanalyse ersparen, in einem Brief an den Berufsverband
Deutscher Psychologen (BDP) (veröffentlicht im report
psychologie, Heft 10/2004, S. 624) habe ich bereits Grundzüge
hierzu geschrieben.
Kritisiert werden muß deshalb, daß es offensichtlich keine empirische Studie gibt, aus der zunächst Qualitätskriterien und Aussagen über deren Qualitätsrelevanz für die ärztliche und für die psychotherapeutische Praxis gewonnen werden könnten. Statt dessen konnte sich in den QM-Konzepten ein Theoriemodell ("Ist-Werte/Soll-Werte") durchsetzen, das nicht nur schmalbrüstig, sondern schlicht unzutreffend ist. Dieses Theoriemodell taugt sicher gut für die Führung eines Ersatzteillagers, ist aber für die komplexe Arbeit wissenschaftlich fundierter Tätigkeiten, wie sie Ärzte und Psychotherapeuten ausüben, völlig ungeeignet. Für den psychotherapeutischen Bereich habe ich dies in einem Beitrag für das Psychotherapeutenjournal dargestellt ("Qualitätssicherung auf Abwegen", Psychotherapeutenjournal, Heft 4/2004) für den ärztlichen Bereich wäre eine entsprechende Beweisführung ebenfalls zu führen.
Statt blind fremde, unzutreffende Konzepte überzustülpen, ist zunächst eine qualitative empirische Untersuchung darüber erforderlich, was Qualität in einer psychotherapeutischen bzw. ärztlichen Praxis bedeutet und zwar differenziert nach Größe und Art der Praxis. Die KV ist daher aufgefordert, eine solche qualitative Studie (in der also nicht nur Fragebogen verwendet werden) zu initiieren, eine Studie, in der konkrete Praxen untersucht, Ärzte und Psychotherapeuten interviewt, und zunächst beschreibend Qualitätskriterien und Aussagen über Qualitätsrelevanz entwickelt werden..
Auch Modellprojekte jener am grünen Tisch entstandenen QM-Konzepte sind keineswegs aussagekräftig, da die Teilnehmer eines solchen Projektes erfahrungsgemäß
Nicht akzeptiert werden kann, daß die fundierte
Kritik an den QM-Konzepten einfach nicht zur Kenntnis genommen
wird. In dem aus über 30 Teilnehmern bestehenden Seminar gab es
keine einzige Stimme, die in den QM-Modellen einen Gewinn für
ihre Arbeit erkennen konnte. Im Gegenteil bestätigten sogar die
Teilnehmer, die bereits praktische Erfahrung mit QM-Systemen
gesammelt hatten, daß ein "riesiger Bürokratie- und
Papierberg einen kaum verspürbaren Nutzen erbringe". Auch
wenn die Teilnehmerzahl vielleicht keiner repräsentativen
Stichprobe der Ärzte und Psychotherapeutenschaft entsprach, so
sind 100% Ablehnung ein eindeutiges Votum. Es ist frappant, wie
hier das Urteil von zahlreichen, erfahrenen Akademikern einfach
ignoriert wird.
Stereotyp erfolgt auf die Kritik der Hinweis auf die
Gesetzeslage. Es wäre hier aber die Aufgabe der KV, den
Gesetzgeber auf die Unzulänglichkeit der QM-Modelle hinzuweisen
und gegebenenfalls dies auch öffentlich zu tun. Keinesfalls
jedoch in vorauseilendem Gehorsam sich zum willfährigen Helfer
einer Sache zu machen, die überwiegend Papierberge produzieren
wird und die zudem noch von den Betroffenen teuer bezahlt werden
soll.